Grado - jeder Tag voll Licht und guter Bestimmung

Hotel

Es ist der Blick auf die Riva Dandolo, warum ich das Hotel Alla' Citta di Trieste in Grado wählte. Grado die Sonneninsel, Sehnsuchtsort und nur wenige Stunden von meinem Zuhause entfernt.

Die Morgendämmerung ist meine liebste Zeit. Halbschlafen, in die körperwarmen Hüllen gerollt, erwarte ich das Wachsen des Lichts und die Veränderung des Himmels, der sich von bleigrau, über rosenrot bis blassblau verwandelt. Die Sonne bricht hervor, ich springe aus dem Bett, breite am offenen Fenster die Arme aus und begrüße den Tag. Buon Giorno Grado!  

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Die Anreise

Italo Pop und der erste Caffe' im Autogrill, ja das muss sein, wenn ich nach Italien unterwegs bin. Felicita', bello impossibile, sei nell'anima, trällere ich laut mit. In Tarvis fahre ich auf der alten Bundesstraße, der ehrwürdigen Via Iulia Augusta weiter. Sobald ich die Grenze in meinem Rückspiegel sehe und die Berge vor mir auftauchen, lasse ich Mendelssohns "Italienische Symphonie" erklingen. Sie ist die perfekte musikalische Begleitung für diesen Abschnitt der Reise. Quellen zufolge flog die Melodie dem Komponisten Mendelssohn Bartholdy auf dieser Strecke im Kanaltal, in seiner Kutsche fahrend, zu. Die  friulanische Landschaft dieses schroffen Korridors, eingeschlossen von hohen Bergen, durchschnitten vom weißen, breiten Flussbett der Fella, lassen die Klänge der Symphony no.4 in A major, noch intensiver wirken. Es sind diese Glücksmomente, die sich wie "Schmetterlinge im Bauch" ausbreiten, als führe ich zu einem ersten Date. Nein, es ist kein Date, es ist Italien was diese Vorfreude auslöst. Analog zum Sanfterwerden der Symphonie, geht das Sanfterwerden der Landschaft einher. Dann: "...die Hügel ebnen sich und wir betreten ein weites Land...", so beschrieb es einst Konstantin Wecker in einem Gedicht. 

Vorbei an Aquileia und Belvedere, durch eine schier endlos führende Allee, und dann,  auf dem Damm der Festland und Insel verbindet halte ich für einen kurzen Moment den Atem an. Ein Moment, in dem die Welt stillzustehen scheint. Rechts versinkt die Sonne blutorangen in der Lagune und taucht die Insel Barbana auf der gegenüberliegenden Seite in ein warmes goldenes Licht.

Boote

Angekommen auf der Insel

Das Eintauchen in die Altstadt von Grado ist im Sinne des Wortes tatsächlich ein Eintauchen, um irgendwann wieder aufzutauchen, vielleicht am Lungomare oder in der Riva Dandolo wo die Fischerboote ankern. Es herrscht emsiges Treiben; die Fischer ordnen ihr Fangzeug und bereiten alles für die nächste Ausfahrt vor. Am Hafen legt gerade ein Ausflugsboot ab und ich kann gerade noch draufspringen, um auf die Klosterinsel Barbana mitzufahren. In der, von den Gradesern geliebten Wallfahrtskirche, wird gerade eine Messe zelebriert. Ein anschließender kleiner Rundgang und noch ein Glas Weißwein, bevor ich durch die sanfte Lagune zurückfahre. Die dunklen Regenwolken hängen tief und harmonieren farblich mit dem Grau des Wassers der Lagune. Vogelkolonien sitzen auf den vereinzelten Sandbänken und beobachten gelangweilt das vorbeifahrende Boot.

Biago Marin

Biagio Marin - il grande poeta di grado

In einer Buchhandlung kaufe ich mir das ins Deutsche übersetzte Buch von Biagio Marin. "Grado, die von Gott begnadete Insel". Der Autor wird von den Gradesern wie ein Heiliger verehrt. Seine Werke sind eine Liebeserklärung an Grado und die Lagune. Der Besitzer der Buchhandlung ist begeistert, als ich nach dem Buch frage. "Ganz selten", so erzählt er mir, "fragen Touristen nach diesem Buch".

 

 

Musikant

"Und jeder Tag, der vergeht, und jede Stunde sind voll von Licht und guter Bestimmung"

(Biagio Marin)

Ein wundervolles Buch und jeder Satz ein Genuss. Allein, am Strand sitzend, lese ich mir selbst laut daraus vor. Ich liebe Sprache und ich liebe Worte und diese Worte verdienen es, laut gelesen zu werden. Zurückgekehrt in der Altstadt wird es Zeit, dem Gaumen einen Genuss zu gönnen. Die vielfältige und kreative Küche Grados, hat dafür einiges zu bieten. Wie sehr liebe ich es, in Italien respektvoll mit "Signora" angesprochen zu werden. Sei sola signora? Si sono sola. Freundlich bekomme ich einen schönen Tisch zugewiesen und werde sofort bedient. Zwischen den Gängen lese ich im Buch von Biagio Marin, es lässt mich einfach nicht mehr los und so beschließe ich spontan, es auch in seiner Originalsprache zu kaufen. Auch wenn ich den Dialekt nicht verstehe, genügt mir die Melodie der Worte. Bei Sonnenuntergang lustwandle ich auf der Promenade und lausche einem einsamen Akkordeonspieler. Ganz bei mir, ganz da.

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Am darauffolgenden Tag leihe ich mir ein Fahrrad und fahre zum Friedhof, um das Grab von Biagio Marin, dessen Worte mich in diesen Tagen so wunderbar begleiten, zu besuchen. Auf einem Radweg geht es weiter in die Lagunenwelt. Eine heilige Stille, die  vom Gezirpe, Gezwitschere und Gequake, wie auch dem Säuseln des Windes begleitet wird. Immer wieder halte ich an, um zu schauen und la profuma einzuatmen. Den Duft der Lagune. Hie und da ein vorbeifahrendes Fischerboot. Ich kann in diesem intensiven SO-SEIN nur ankommen, wenn ich alleine reise. Allein und dennoch verbunden, mit allem um mich.  

Abschied

Nach Hause zurück fahre ich erneut auf der Via Iulia Augusta. Diesmal begleiten mich die Arien aus Guiseppe Verdi's  "Aida". Gemütlich, durch die friulanischen Dörfer, erreiche ich Venzone. Die Lavendelstadt wurde 1976 vom Erdebeben fast zur Gänze zerstört und ist heute original wiederaufgebaut. Ein Besuch lohnt sich und nach meiner  Besichtigungstour gönne ich mir noch einen Cafe' auf der Piazza. Am Parkplatz vor der Stadt sehe ich, dass eine Katze es sich auf der Kühlerhaube bequem gemacht hat. Mit einem sichtlich beleidigten Blick springt sie hinunter und stolziert davon.  

Buchtipps:

Ingeborg Hofbauer; Italia da sola - 100 Tage, 100 Orte, 100 Glücksmomente

Stefan Maiwald; Seine Bücher aus Grado: Meine Bar in Italien | Mein Leben am Strand | Alle Weg. Podcast Radio Adria. 

Michael Dangl; Grado - Abseits der Pfade 

Biagio Marin; Grado, die von Gott begnadete Insel Edizioni della Laguna (wahrscheinlich nur in Grado erhältlich)

 

Zu den Büchern der Autorin

Über die Autorin
Ingeborg Berta Hofbauer ist eine begeisterte Reisende und Entdeckerin von neuen Orten und ihren Menschen. Deren Geschichten dahinter faszinieren sie und inspirieren sie zu ihren Büchern und Blogs. Sie reist vorwiegend mit ihrem Camper und der Bahn und verzichtet weitgehend auf Flugreisen.

Ingeborg B. Hofbauer

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