Bauerfrauen und Frauenpower - Kärntner Bäuerinnen gehen neue Wege

20230629 120939

Morgendämmerung hoch über Afritz in Kärnten. Ich erwache auf 1000 Meter im Bergbauernhof von Burgi Eder. In den Nockbergen geht gerade die Sonne orangerot auf und im Süden zeichnen sich die Karawanken mit ihrem Höhenprofil vor dem noch nachtblauen Horizont scharf ab. In den folgenden zwei Tagen werde ich außergewöhnliche Kärntner Bäuerinnen treffen, die ihren eigenen, ganz persönlichen Weg gehen.

20230629 054809~2

Burgi Eder ist meine Gastgeberin. Eine Kärntner Bergbäuerin, die ich im Green Care Lehrgang kennengelernt habe. Eine von vielen Landwirt:innen in Österreich, die ihren Hof zum Green Care Auszeithof zertifizieren lassen.

Randnotiz: Green Care ist eine Möglichkeit für Landwirt:innen, ihre bäuerlichen Ressourcen und ihren Hof, verbunden mit einem Konzept für gesundheitsfördernde Maßnahmen, der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

Burgi hält Mutterkühe, die den Sommer über auf der Alm sind. Sie hat 4 Kinder, ihr Mann ist Malermeister. Die Landwirtschaft ist ein schmuckes Anwesen mit mehreren Gästezimmern. Nach meiner Anreise spaziere ich um den Hof, um anzukommen. Die  grandiose Aussicht zieht mich sofort in ihren Bann. Weitblick fördert Durchblick kommt mir spontan in den Sinn, angesichts dieses Panoramas. Wenn die äußere Landschaft mit der inneren Landschaft in Resonanz tritt, fängt Kreativität zu fließen an.  Es braucht wenig, vielleicht ein paar Farbstifte und ein Zeichenblock oder, wie in meinem Fall, Stift und Notizbuch. "Zulassen, sein lassen, loslassen", so Burgis Credo. Wohltuende Gespräche mit der Gastgeberin am Abend, verständnisvolle Fragen und kluge Interpretationen sind Balsam für die gestresste Seele.

20230629 121204

GEH-spräche

Ich wurde eingeladen, eine Wanderung mit den Bäuer:innen inhaltlich zu begleiten. GEH-spräche werden die Frauen, unter meiner thematischen Anweisung führen. Um 9 Uhr treffen sechs fröhliche junge Frauen ein und zur Begrüßung, was sonst, gibt es ein Glas Prosecco. Vor dem Losgehen wird die Wanderung mit einer Achtsamkeitsübung eingestimmt. Der Weg als Symbol für den Lebensweg, das Motto des Tages. Im Gehen kommen Körper und Geist in Bewegung und allen tut es gut, den eigenen Lebensweg, die Höhen und Tiefen zu reflektieren. Vor allem zu erkennen, wie einzigartig und wertvoll die persönliche Biografie ist.

20230629 130543

 

Die Bergkirche zu Oberwöllan

Burgi hat eine besondere Wanderung für uns ausgewählt. Auf 1200 m, am Fuße des Wöllaner Nock gelegen, zählt die Oberwöllaner Bergkirche zu den kunsthistorisch wertvollsten Höhenkirchen Kärntens. Bis in jüngster Vergangenheit barg sie den spätgotischen Flügelaltar, der aus Sicherheitsgründen nun im Diözesanmuseum in Klagenfurt zu besichtigen ist.  Nach einer kleinen Andacht in der Kirche geht es weiter zu einer Berghütte, wo uns die Wirtin mit hausgemachten Kärntner Kasnudeln bereits erwartet. Eine meiner Lieblingsspeisen und ich behaupte, noch nie zuvor bessere gegessen zu haben. „Wer net krendeln kann, der kriegt kan Mann“ werde ich aufgeklärt.

Randnotiz: Krendeln nennt man den geriffelten Rand nach dem Einschlagen der Nudeln.

Bevor ich am nächsten Morgen abfahre, bekomme ich von Burgi noch einen Blitz-Kochkurs für das Zubereiten von Kasnudeln. Ob ich das Krendeln hinbekomme, wird sich noch herausstellen.

20230630 091225

Im Tal erwartet mich Monja Mayer, die Kräuterexpertin. Auch ihre Geschichte ist erzählenswert. Viele Jahre war sie Gastwirtin, nachdem sie den elterlichen Hof übernommen hatte. So wie viele Frauen in meiner Generation erfüllte auch sie pflichtbewusst die Erwartungen und übernahm das Wirtshaus. Viel Arbeit, kaum Zeit für die Familie, erfüllte sich Monja Jahre später ihren eigenen Lebenstraum und ließ sich zur Kräuterspezialistin ausbilden. Das Wirtshaus wurde zu einem Appartmenthaus umgebaut und in den ehemaligen Gasträumen ist nun die Kräuterproduktion und ein Kräuterladen untergebracht. Monja führt mich durch ihren Garten und erklärt mir ihre Schätze. Sie stellt liebevoll Tinkturen, Tees, Cremen und vieles andere aus ihrem Kräutergarten her. Bepackt mit ihren Erzeugnissen breche ich von diesem kleinen Paradies auf, denn es erwartet mich an diesem Tag noch ein weiteres Highlight.

20230630 110621

„In da Mölltal Leitn“...

... singe ich, während ich durch das Mölltal zu Sylvia Granitzer fahre. Sie hat mich auf ein besonderes Event eingeladen. Coaching mit Tieren. Ihr Bruggnerhof ist zertifizierter Green Care Auszeithof. Von der Milch ihrer drei Jerseykühe stellt Sylvia Milchprodukte und Käse her. Überdies bietet Sylvia, die zertifizierte Businesscoachin Einzel-, Team und Führungscoachings mit ihren Kühen, Pferden und Hunden an. Dieses Konzept hat sie einst im Green Care Lehrgang vorgestellt und es ist vollinhaltlich aufgegangen. Sylvia hat mit ihrer Coachingmethode in Kärnten inzwischen gewisse Berühmtheit erlangt. Die Alpenmentorin führt nebenher auch Wandertouren.

Mir möchte sie heute ihre Coachingmethode vorstellen. Die Pferde stehen bereit und ich suche mir Couscous einen Wallach dafür aus. Habe ich schon erwähnt, dass ich Angst vor Pferden habe? Ein Coachingziel wird vereinbart und dann geht es los. Nach einer Stunde bin ich gescheiter und wahrlich geläutert. 

20230630 121430

Vom Tier-zum-Wir

heißt die Methode und Couscous bringt bald meine „blinden Flecken“ gnadenlos zum Vorschein. Mein Mangel an Vertrauen, mein gedankliches "davon Galoppieren" und das nicht im Hier und Jetzt sein können. Diese Überaktivität und Ungeduld bringt mein tierischer Coach ans Licht. Langsam, Schritt für Schritt, mit langen Stehzeiten dazwischen, weil das Pferd einfach nicht das tut, was ich möchte, lerne ich mich hinzugeben und zu spüren, was das Pferd braucht. Langsam komme ich zur Ruhe und ins Vertrauen und in ein Miteinander. Pferd und Mensch, eine Einheit. Schließlich erreichen wir das äußere Ziel, das ich mir gesetzt habe. Eine großartige Erfahrung, die ich gut in meinen Berufsalltag übertragen kann. Mit Sylvia wird der Prozess reflektiert. Wirklich eine feine Sache, dieses tiergestützte Coaching.

20230630 142557

Das höchste Weingut Kärntens

Nach dem Mittagessen mit Sylvia, natürlich Kasnudeln, steht ein Besuch bei der GrafenBERGERin auf meiner Liste. Ernestine Berger hat sich 2012 mit 57 Jahren entschieden, einen Weinberg anzulegen. Natürlich musste auch sie sich mit Zweiflern und kritischen (männlichen) Besserwissern herumschlagen. Ein Weinberg auf Seehöhe von 880 m? Die frisch gebackene Winzerin erkannte die klimatisch günstige Kessellage, die den scharfen Tauernwind abhält. Das Schiefergestein und eine geringe Humusauflage bilden einen ganz besonderen Wärmespeicher. Inzwischen gehört Ernestine Berger zum Geheimtipp unter Weinliebhaber:innen und hat bereits Preise mit ihren Weinen abgeräumt. Als Besonderheit bietet sie geführte Weingartenwanderungen an, die von Sylvia Granitzer begleitet werden. Zu den Weinbergwanderung

Voll der Eindrücke und erfüllt von kraftvoller weibliche Energie dieser Kärntner Bauer-Power-Frauen, mache ich mich auf den Weg zurück in die Steiermark.

Wertvolle Informationen

  • Urlaub am Bauernhof | Burgi Eder Verditzer Straße 22, 9542 Afritz am See. Telefonnummer: +43 664 91 881 196

 

 

 

 

Abonnieren Sie meinen Blog und versäumen Sie keine spannenden Reisegeschichten mehr.

 

 

 

Über die Autorin
Ingeborg Berta Hofbauer ist eine begeisterte Reisende und Entdeckerin von neuen Orten und ihren Menschen. Deren Geschichten dahinter faszinieren sie und inspirieren sie zu ihren Büchern und Blogs. Sie reist vorwiegend mit ihrem Camper und der Bahn und verzichtet weitgehend auf Flugreisen.

Ingeborg B. Hofbauer

Einfach Anmelden und keine Neuigkeit mehr verpassen.

Natürlich können Sie dieses Abo jederzeit mit einem Abmeldelink in den zugesendeten Emails stornieren. Ihre Email-Adresse wird ausschließlich zu diesem Zweck genutzt und wird mit Beendigung des Abo direkt gelöscht. Insbesondere erfolgt keine Weitergabe an unberechtigte Dritte. Mehr dazu lesen Sie in der Datenschutzerklärung.

News abonnieren