Allein ist man mehr zusammen. Warum man einmal im Leben allein verreisen sollte

Urbino 2023

Die unterschiedlichsten Motive bewegen Menschen, sich allein auf eine Reise zu begeben. Ist der erste Schritt über die „Schwelle“ getan, tut sich eine vollkommen neue Erfahrungswelt auf. Alleinreisen ist die beste Art, sich mit sich selbst zu befreunden.

Inge Strand

Der Weg zur Soloreisenden

Mein Leben in den unterschiedlichsten Rollen verlangte mir viel Kompromissbereitschaft ab. Als Mutter, Freundin, Partnerin, Schwester, Chefin und vor allem als pflegende Tochter musste ich die letzten Jahrzehnte auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht nehmen. So geht es wahrscheinlich den meisten von uns. Das änderte sich, als ich meine erste große Reise 2007 allein machte. Sie erinnerte mich daran, dass ich schon als junge Frau davon träumte, mich allein auf Reisen zu begeben. Allein zu reisen ist wie ein Tor in eine neue Welt. Ein Tor in eine Freiheit, die unzählige Glücksmomente parat hat.

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Allein ist man mehr zusammen

Dieser Kitzel, bevor ich aufbreche, das akribische Abarbeiten meiner, inzwischen perfekt gewachsenen Checkliste für Campingreisen, der Autocheck, das Recherchieren und Planen, mitunter Reservieren von Slots und Stellplätzen. Kein bequemes Delegieren an jemand anderen, nein, die Verantwortung liegt ganz bei mir. Unzählige Male gehe ich die Liste durch, bis der Tag der Abreise da ist, ich meinen Camper Freddie starte, die Playlist aufdrehe und losfahre. Leben, ich komme!

Konzentriert und hellwach genieße ich meine Fahrt, achte gut auf meine Bedürfnisse, raste alle zwei Stunden. Meine Sensoren sind hochaktiv und bereit, sich jeder Situation neu anzupassen. Informationen, Erlebtes, Eindrücke, wie auch Missgeschicke und Probleme gehören dazu. Was ich dabei lerne speichere ich bewusst ab, um es in entsprechenden Situationen abrufen zu können. Es ist ein unglaublich starkes Gefühl des Lebendig-Seins, aber auch sehr ermüdend. Ich kenne meine Grenzen und passe meinen Tagesablauf beim Reisen, meinen Ressourcen an. Denn es ist niemand sonst da, der auf mich schaut. Nirgendwo lernt man sich und seine Bedürfnisse besser kennen als beim Alleinreisen. Abends sitze ich bei meinem Bus, schreibe meine Tageseindrücke bei einem Glas Rotwein nieder. Mitunter beobachte ich andere Camper, meist Paare vor ihren riesigen komfortablen Wohnmobilen sitzend und mit dem eigenen Handy beschäftigt. Zweisamkeit, die verdächtig nach Einsamkeit aussieht. Es gibt auch andere alleinreisende Frauen, sehr selten Männer. Man unterhält sich, doch wie eine stille Übereinkunft spürt man, dass jede für sich sein möchte. 

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Zu einer neuen Stärke heranwachsen

Die täglichen Herausforderungen müssen allein gemeistert werden. Es gibt Situationen, die mich meine ursprünglichen Pläne überdenken lassen und mich aus meinen gewohnten Verhaltensmustern herausholen. Wichtig dabei ist, in sich gut hineinspüren zu können, um zu erkennen, was ich IN DEM MOMENT wirklich brauche. Eine gute Übung für den Alltag. Darüber hinaus ist der kundige Umgang mit dem Smartphone sehr hilfreich. Wo finde ich einen schönen Campingplatz, wo gibt es die nächste offene Autowerkstatt, Supermarkt, Restaurant, Arzt und so weiter.

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"Fühlst du dich nicht einsam?"

Das werde ich häufig gefragt. »Nein«, lautet meine Antwort, denn Einsamkeit und Alleinsein sind nicht dasselbe. Wie oft war ich in Beziehungen einsam. Es gibt nichts Schöneres, als mit anderen mir unbekannten Menschen zu plaudern. In einem Laden, im Restaurant, bei Besichtigungstouren oder mit den Nachbarn auf dem Campingplatz. Alleinsein ist der neutrale Umstand, dass keiner neben einem ist. Einsamkeit stellt ein anderes, unangenehmes Gefühl dar. Einsamkeit ist eine Emotion, die häufig mit der Erfahrung des im Stich gelassen sein oder des sich nicht verstanden fühlen stark verknüpft ist. Alleinsein hingegen kann eine positive Erfahrung sein.

Das Alleinsein eröffnet einem das Tor zur Welt und, was noch wesentlicher ist, das Tor zu sich selbst.

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Die Seele liebt Spontanität

Als Kind waren wir voller Spontanität, was uns im Laufe des Erwachsenwerdens erfolgreich abtrainiert wurde. Kaum jemand ist für spontane Treffen verfügbar, die meisten von uns sind mit Terminen und Aufgaben zugemüllt. Doch ist meiner Meinung nach der größte Verhinderer von Spontanität die Bequemlichkeit. Die Bequemlichkeit, die in unser „Haus“ eingezogen ist. So wie Khalil Gibran es einst formulierte. Wieder Spontanität in mein Leben zu lassen, war mein größtes Ziel, als ich in Pension ging. Diese Spontanität hat mir auf meinen Alleinreisen schon großartige Glücksmomente beschert und tolle Orte, Erfahrungen und Begegnungen geschenkt.

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In einen Dialog treten

Ein Land über seine Kultur, Musik und Literatur zu entdecken, ist mir das Wichtigste beim Reisen. Bepackt mit den entsprechenden Büchern und ausgewählten Musikstücken auf meiner Playlist, breche ich auf und tauche ganz in die Seele eines Landes ein. Eine Seele, die von Kunstschaffenden des Landes sichtbar gemacht wurde. Es ist Reisen im doppelten Sinne. Die äußere Landschaft wird mit all meinen Sinnen wahrgenommen und tritt in einen Dialog mit meiner inneren Landschaft ein. Dieser Austausch inspiriert mich zu neuen Gedanken und im Folgenden zu meinen individuellen Reisegeschichten.

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Allein speisen, kein Problem

Das allein speisen war am Anfang meiner Soloreisen eine Herausforderung. Heute betrete ich selbstbewusst ein Restaurant und lasse mir einen Tisch zuweisen. Immer habe ich ein Buch dabei, um zwischen den Gängen darin zu lesen oder ich mache Notizen. Das Handy ist tabu, ich finde es geschmacklos beim Essen auf das Handy zu starren. Viel lieber beobachte ich das Treiben um mich herum und zuweilen ergibt sich das eine oder andere Gespräch mit anderen Gästen. 

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Genießen statt hetzen

Bei einem aperitivo oder einem caffé in einer Bar, auf der Piazza oder am Strand zu sitzen, Ansichtskarten zu schreiben und das Treiben um mich herum zu beobachten, sind für mich Höhepunkte jedes Reisetages. Ansichtskarten schreiben ist ein Kulturgut, das nicht verloren gehen darf. Auch wenn diese erst Wochen nach der Rückkehr bei den Empfängern ankommen. Eine Ansichtskarte vermittelt Wertschätzung, finde ich. Ich bin eine passionierte Ansichtskarten-Schreiberin.

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Positive Nebenwirkungen des Alleinreisens

Begleiterscheinungen des Alleinreisens sind ein gestärktes Selbstwertgefühl, Selbstsicherheit und wachsender Mut - auch im Alltag. Man lernt sich besser abzugrenzen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Aber auch die Motivation, offen für neue Begegnungen zu sein und dem Fremden neugierig zu begegnen haben mir persönlich sehr gut getan. Ebenso die Freude daran, mein Englisch zu verbessern und Schlüsselwörter der jeweiligen Landessprache zu erlenen ist groß. Italien empfinde ich als meine zweite Heimat und Italienisch wird langsam zu meiner zweiten Muttersprache.

Lust bekommen? Mein neues Buch Italia da sola - 100 Tage, 100 Orte, 100 Glücksmomente macht Mut, allein aufzubrechen.

Mut steht am Anfang, am Ende steht das Glück!

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Mutig in den dritten Lebensabschnitt: https://www.mutkompetenz.at/vortraege/

Über die Autorin
Ingeborg Berta Hofbauer ist eine begeisterte Reisende und Entdeckerin von neuen Orten und ihren Menschen. Deren Geschichten dahinter faszinieren sie und inspirieren sie zu ihren Büchern und Blogs. Sie reist vorwiegend mit ihrem Camper und der Bahn und verzichtet weitgehend auf Flugreisen.

Ingeborg B. Hofbauer

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